Diese Rede wurde von Zahrenar und Leyli im Rahmen der Demonstration zum IDAHOBIT 2023 am Yppenplatz gehalten. Wir danken für die Möglichkeit, diese hier aus Solidarität voll inhaltlich wiedergeben zu können.
Leyli und ich, zahrenar sind von dem Kollektiv Javaneh, dass soviel bedeutet wie Knospe. Metaphorisch gesehen, eine Frühlingshafte Knospe die nach einem harten Winter aufblüht und eine immense Kraft in sich trägt. Wir sind dankbar, heute hier sein zu dürfen um über die Lage von LGBTIQ Personen im Iran zu sprechen.
Das Wichtigste ist, dass wir sichtbar sind und gemeinsam kämpfen. Dass wir hier, heute gemeinsam gegen Homo- Bi- Inter- und Transfeindlichkeit protestieren können ist bereits ein privileg.
Das Ganze sieht jedoch drastisch anders aus im Iran, einem Land in den weiblich gelesenen Personen nicht einmal den vom islamischen Regime verordneten Schleier abnehmen dürfen; oder wenn Sie es tun verfolgt, gefoltert und gar getötet werden. Die Geschichte von von Jina Amini ist solch eine. Jina trug laut der Sittenpolizei ihren Hijab nicht ordnungsgemäß, wurde verprügelt und erlag ihren Verletzungen. Mit ihr begann auch die neue Revolution im Iran, die nicht nur im Landesinneren, sondern auch in der Diaspora seit September tobt.
Und wir hoffen, dass mit dieser neuen Revolution auch die Minderheiten im Iran zu ihren Rechten kommen, dass bedeutet auch, dass sexuelle Minderheiten in Würde ihr Leben leben dürfen.
Denn Laut der Studie von Kameel Ahmady (2019) „LGB in Iran-The Homophobic Law and Social System Kameel Ahmady. “ ist dies zurzeit nicht der Fall. Ahmady interviewte für die Studie 400 Personen in 3 großen Städten Irans um die Schwierigkeiten und Probleme von Queeren Menschen vor Ort festzuhalten.
In erster Linie muss verstanden werden, dass das System im Iran religiös und patriachal geprägt ist und dass Homo, Bi, Inter und Transsexualität als furchteregend und abnormal verstanden werden und laut der islamischen Republik kontrolliert werden müssen. Ein Grund auch, wieso angehörige der Community oft kein Vertrauen in den Staat oder der Polizei und Sittenwache haben, da ihnen ein Recht auf Schutz von Grund auf verwehrt wird.
Artikel 238 – Musaheqeh ist definiert als der Vorgang, bei dem eine weibliche Person ihr Geschlechtsorgan an das Geschlechtsorgan einer anderen Person desselben Geschlechts legt. Artikel 239 – Die Hadd-Strafe für Musaheqeh beträgt einhundert Peitschenhiebe.
Außerdem basiert das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran auf der Scharia, die Strafen für Personen vorsieht, die wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen verurteilt werden. Darüber hinaus können Menschen im Iran aufgrund ihrer einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Handlungen verhaftet und während der Haft körperlich und sexuell angegriffen, strafrechtlich verfolgt und körperlich bestraft werden. Nach iranischem Recht, sind Bi- und Homosexualität illegal und werden entweder mit 100 Peitschenhieben oder der Todesstrafe geahndet (Yvette Taylor, Ria Snowdon, 2014).
Ein „Geständnis“ kann ohne weitere Beweise mit einunddreißig bis vierundsiebzig Peitschenhieben bestraft werden, aber ein „viermal wiederholtes Geständnis“ gilt als ausreichender Schuldbeweis für die volle Strafe von entweder 100 Peitschenhieben oder der Todesstrafe. Die iranische Justiz kann „Geständnisse“ oft unter Folter als Beweismittel erzwingen.
Iran ist vielleicht eines der wenigen Länder, die eine Reihe ihrer Bürger*innen wegen Homosexualität hingerichtet haben. Taylor et al. (2015) kommentiert: „Es ist unklar, wie viele nicht-heterosexuelle Personen seit der islamischen Revolution hingerichtet wurden, aber zwischen 1979 und 1990 wurden etwa 107 Hinrichtungen verzeichnet. Man geht davon aus, dass die iranische Regierung seit der islamischen Revolution von 1979 mehr als 4.000 Menschen hingerichtet hat, die homosexueller Handlungen beschuldigt wurden
Zahrenar
Mit 4 schmierte meine Mutter eine helle übelriechende Creme auf meine Oberlippe. Sie sah zu wie sich langsam die dunklen Haare kräuselten und wischte mir den Mund mit feuchten Tüchern ab. Mit glatter geröteter Haut und nassen Wangen verlies ich das Badezimmer und redete für mehrere Stunden mit niemanden mehr. Die Scham für die Haare auf meiner Haut reichte bis in meine Fingerspitzen. Heute sitzt die Scham nicht mehr zwischen den Haaren meines Barts, sondern auf meinen Brüsten, Hüften, auf dem Bauch. Oft glaube ich, dass dieser Körper nicht meiner ist, wenn ich in den Spiegel schaue, oft wird er mir entrissen. „Nicht-Binär“ sein heißt sich ständig im Dazwischen zu bewegen. Irgendwo neben den Ordnungen liegt die Antwort schief in einem selbst, doch bleibt für andere in der immer selben Starrheit gleich.
Der Körper, den ich habe, ist kein Trend, kein Produkt meiner Generation und doch lässt mich diese Zeit, in der ich lebe, verstehen, wie sich Körper durch andere Zeitlichkeiten biegen und verlieren. Die Haare auf meinen Armen machen Geschichte und sind auch ihr Zeugnis. Warum ich Kleidung trage, die man(n) anderen zuschreibt ist keine Krankheit, sondern eine Wahrheit, die auch 200 Jahre später ans Licht kommt. „Nicht-Binär“ sein heißt mir Worte anderer anzueignen, nachdem sie in meiner Muttersprache brutal ausgelöscht wurden. Es ist eine Bezeichnung, die am Ende des Tages nicht von Menschen, wie mir, gemacht wurde und mich daher auch nicht inkludieren: denn jemand wie ich kann sich ohnehin nicht ohne Gefahr so (fremd)bezeichnen.
Die koloniale Vergangenheit Irans geht mit der Auslöschung von queeren und Aufteilung von Binären Identitäten einher. Mit erniedrigenden Maßnahmen löschten sie sogenannte Birishs – also Männer ohne Bart, die sich “wie Frauen anziehen” aus.
Wofür wir heute kämpfen sind keine modernen westlichen Werte, oder englische Bezeichnungen, die jetzt heroisch in die Verfassung aufgenommen werden, sobald sie weiße Menschen erfinden und fordern, sondern Rechte die es im Heimatland meiner Eltern, Iran, bereits immer gegeben hat. Die die islamische Regierung mit der Todesstrafe quittiert. Die Massen von Menschen in inhumanen Bedingungen leben hat lassen, weil sie aufgrund ihrer Queerness fliehen mussten.
2 lesbischen Aktivistinnen aus Iran, Zahra Seddiqi Hamedani und Elham Choubdar, wurde Anfang September als die Revolution losging Menschenhandel, Kindesmissbrauch und mehr vorgeworfen, obwohl sie sich für die Rechte von Lesben einsetzten. Sie wurden verhaftet, sie wurden ausgepeitscht und was ihnen sonst im Gefängnis widerfahren ist will ich nicht in Worten formulieren.
ozi_Isar a trans Influencer hielt letzten November bei einer der größten Demonstration zu Iran, in Berlin eine Rede. Als Ozi nach Hause kam, war die Türe aufgebrochen der Lap Top aufgeschlagen, der Suchverlauf offen gelegt und das Zimmer total verwüstet.
Ob ihr es mir glauben wollt oder nicht. Wir nobodys mit Doppelstaatsbürgerschaft riskieren unser Leben für die Rechte von Menschen aus einem Land, dass wir wahrscheinlich nie wieder sehen werden, für Orte die nach dem Irak Iran Krieg, den Österreich übrigens mit Waffen versorgt hat, nicht mehr existieren. Für all die Queers in Iran und Kurdistan die kinky Sex auf Farsi, Kurdisch, Arabisch oder Türkisch haben. Wir riskieren unser Leben für sie, wenn wir hier stehen. Das einzige was wir verlangen ist, dass ihr mit uns steht, denn Jin, Jiyan, Azadî ist die Parole einer queere Bewegung, einer Bewegung gegen diese Mörder Namens Mullahs die von FLINTAS* angeführt wird.
Die 20 Jährige Türkin Kübra hat sich aufgrund der fortschreitenden Macht des Erdogan Regimes das Leben genommen. Sie hinterließ eine Nachricht in der sie schrieb “They stole my youth, I never felt truly free as a women here. I’m not forgiving the AKP and their supporters”
Faschismus bringt Menschen um. Sowohl in der Türkei als auch in Iran. Unter dem Erdogan Regime wurden duzende unschuldige Iraner*innen in der Türkei entführt und als Geisel festgenommen. Die Emanzipation für queere Menschen in Iran muss die Solidarisierung von der Linken beinhalten, mit den unterdrückten Menschen in der Türkei und ganz klare Abgrenzung von den widerwärtigen kapitalistischen Machenschaften des Westen, die weiter mit dem islamischen Regime verhandeln, statt sie auf die Terrorliste zu setzten, um sich ihre SUVs und Teslas leisten zu können.
Leyli